Live.

Auf Konzerte gehe ich immer schon gern. Die erste Band, die ich live sah, war Roxette in der Olympiahalle – es war Ende 1991, immerhin noch vor meinem
14. Geburtstag. Im Nachhinein bin ich froh, dass meine Eltern mir den Besuch des New Kids On The Block-Konzerts ein halbes Jahr zuvor noch nicht erlaubt hatten – das wäre ein etwas peinlicherer Start für die Konzert-Liste gewesen.

Wobei eine solche Liste (leider) gar nicht existiert, sicher würde ich heute gar nicht mehr alles zusammenbekommen. Doch an die Highlights erinnert man sich natürlich – oft sind es für mich Konzerte, bei denen starke Frauen auf der Bühne stehen, die mir besonders in Erinnerung bleiben.

Gestern war wieder so ein besonderes Konzert: Judith Holofernes spielte in der Muffathalle. Es begann schon so unglaublich sympathisch, wie ich die Künstlerin immer schon, seit der Heldenzeit, wahrnehme. Konzertbeginn war für eine Stunde nach Einlass angekündigt, und exakt um diese Zeit stand sie auf der Bühne – und zwar um den Support-Act, ihren “Bruder von anderen Eltern” anzukündigen.

Teitur war dann auch wirklich ein Erlebnis – ein ebenso sympathischer, gewinnender Typ mit toller Stimme. Sehr eindrücklich, als er seinen Titel “The Singer” a capella zum Besten gab, in dem es eben genau darum geht, was er macht: auf der Bühne zu stehen, Sänger zu sein, obwohl er das nie sein wollte, wie er sich langsam daran gewöhnt und wie er singt, um geliebt zu werden:

People break into tears for reasons I don’t know.
They just try to understand me, and I sing to be loved.

Mit Teitur zusammen hat Judith Holofernes ihr neues Album “Ich bin das Chaos” aufgenommen, das etwas knapp mit Blick auf ihre Tour am Freitag, 17. März, veröffentlicht wurde. Doch ganz pragmatisch hat Judith auf Twitter und Facebook witzige “Mitsing-Tutorials” veröffentlicht, damit man zumindest teilweise mitsingen konnte, auch ohne das Album zu kennen.

Das Konzert startete mit “Danke, ich hab schon” – einem ziemlichen Kracher vom letzten Album, doch das Münchner Publikum machte seinem Ruf erstmal wieder Ehre und nahm den Song mit den üblich verschränkten Armen zur Kenntnis. Zum Glück tauten die Leute mit der Zeit auf – so war es dann ein kuschelig schönes Chaos in der Muffathalle, die auch einfach zu meinen Lieblings-Locations für Konzerte gehört. Wenn man die Bardame schon kennt, weil sie seit Jahren dort arbeitet, fühlt man sich einfach daheim – und die Größe ist so viel angenehmer als z.B. das Zenith, sodass man seinen Lieblingskünstler*innen ganz egoistisch eigentlich gar nicht mehr Zuspruch wünschen mag.

Judiths neues Album ist wieder einfach wunderbar, eine Mischung aus rotzig-frechen (wie dem tollen Titel-Song “Ich bin das Chaos“) und sehr melancholischen Songs (wie der Liebeskummer-Hymne “Der letzte Optimist“). Immer mit sehr hintergründigen, poetischen Texten, was ich sehr schätze. Kein Wunder, dass ich Fan von ihr bin, wird sie doch beschrieben als “Feministin, arbeitende Mutter, Buddhistin, Possenreißerin, politischer Geist und hochbegabte Lyrikerin”.

Nach dem Konzert ließ sie es sich nicht nehmen, CDs und Platten zu signieren und mit den Fans ein paar Worte zu wechseln. So konnte ich mich für die schönen Spotify-Playlists bedanken, die mir in den letzten Monaten immer wieder Freude bereitet haben. Und ich erfuhr, dass es gar nicht so einfach ist mit den Streaming-Anbietern – wenn sie nämlich auf Spotify etwas anbietet, muss sie das bei allen anderen (GooglePlay, Apple Music etc.) auch, und muss somit alle informieren, wenn sie nur einen Titel zu einer Liste hinzufügen mag…

Ob nun über Streaming, CD oder gar Vinyl, das Album ist definitiv sehr hörenswert. Mein Lieblingssong ist jetzt schon “Der Krieg ist vorbei”. Der hat mich ab dem ersten Hören sehr berührt… zum einen wegen des vordergründigen Kriegsthemas, welches so gut in die jetzige Zeit passt. Zum anderen wegen des Gefühls, das ich gut kenne – immer noch Kämpfe zu kämpfen, die doch eigentlich vorbei sind…
Das alles, bevor ich die Audiostory auf Spotify zum Song gehört habe, in der die Künstlerin genau diese beiden Aspekte des Songs beschreibt.

Und der im Radio sagt: Hey, was machst du da
Der Krieg ist vorbei
Komm, lass die Waffe fallen
Nimm meine Hand, meine Hand
Lass die Waffe fallen
Nimm meine Hand, meine Hand
Lass die Waffe fallen
Nimm meine Hand, meine Hand
meine Hand

weiß nicht, wie man aufhört
nur, wie man anfängt
nicht, wie man aufhört
nur, wie man anfängt

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