Longplayer.

let   million   ruminations  remember

Musik höre ich meistens im Radio (dort hat mittlerweile EgoFM meinen früheren, nicht weniger guten Lieblingssender FM4 ziemlich abgelöst; manchmal höre ich auch Bayern 2 oder 1 und in den Sonntag starten wir immer mit Love Songs & Messages auf BBC Radio 2) oder über Spotify, wo beim Mix der Woche oft was dabei ist und ich meine eigenen Favourites sichere. Ich habe es ja schon mal gesagt: ein Leben ohne Spotify ist sicher möglich, aber doch sinnlos… 😉

Allerdings, eines mache ich weniger als früher und weiß nicht, ob das nun an Spotify oder an generellem Zeitmangel liegt. Während ich früher mit dem Booklet vor dem CD-Player saß und mir Alben von vorne bis hinten angehört habe, interessiere ich mich heute zwar meist auch noch für die Lyrics, da diese für mich einen hohen Stellenwert haben, höre aber viel mehr Einzelsongs, oft von Künstler*innen, von denen ich nichts oder wenig weiß und deren Namen ich manchmal sogar gar nicht zum Song parat habe.

Nun habe ich mir aber mal Zeit genommen (Krankenstand und Urlaub sei Dank) und mich durch ein paar Alben gehört:


Völlig geflasht hat mich Kate Tempest mit “Let them eat chaos” – da es ein Konzeptalbum ist, muss man es auch am Stück hören und das auch mit den Lyrics vor der Nase, wenn man ihrem britischen Rap folgen will. Es ist 4:18 Uhr morgens in London, 7 unterschiedliche Menschen in einer Straße sind schlaflos und wir dürfen ihren Gedanken zuhören. Das Album ist wie ein Roman in 13 Kapiteln, beinhaltet Ur- und Zukunftsängste, Gesellschafts- und Kapitalismuskritik, Alltagsszenen und -probleme, und so viel mehr. Würde ich gleich mal im Englischunterricht durchnehmen, wenn ich Lehrerin wäre!

Europe is lost, America lost, London lost
Still we are clamouring victory
All that is meaningless rules
We have learned nothing from history

The people are dead in their lifetimes
Dazed in the shine of the streets
But look how the traffic’s still moving
System’s too slick to stop working
Business is good, and there’s bands every night in the pubs
And there’s two for one drinks in the clubs.


Als ich die Single “33 GOD” aus dem neuen Bon Iver-Album “22, A Million” zum ersten Mal hörte, dachte ich ehrlich gesagt, irgendwas stimmt mit dem Radioempfang nicht. Aber siehe da, Hintergrundgeräusche, Verzerrungen, Rauschen gehören dazu. Auch sonst ist das Album erstmal etwas gewöhnungsbedüftig, nicht nur musikalisch, sondern auch mit Blick auf die kryptischen Songtitel und die religiösen/biblischen Referenzen. Doch nach dem 2. oder 3. Mal mag man gar nichts anderes hören als diese neuen, teils sphärischen Klänge und doch so melodiösen Songs über Natur, über Momente, die man nicht festhalten kann, über Liebe und Wehmut, wenn man sich mit einer Tasse Tee auf die Couch kuschelt. So erfrischend anders und schön, gipfelt das Album im wunderbaren letzten Song “00000 Million”.

Must’ve been forces, that took me on them wild courses
Who knows how many poses, that I’ve been in
But them the main closest, hark! it gives meaning mine
I cannot really post this, ah feel the signs
I worried bout rain and I worried bout lightning
But I watched them off, to the light of the morning
Marking the slope, slung low in the highlands
‘Where the days have no numbers’
If it’s harmed, it’s harmed me, it’ll harm, I let it in

Conor Oberst und seine Band Bright Eyes höre ich schon seit vielen Jahren immer wieder mal. Es gibt wohl kaum passendere melancholische Novembermusik. Auch das neue Album “Ruminations” ist da geeignet: Viel herzzerreißende Lyrics, Seelenstriptease, Klavierbegleitung, Gitarre und ab und an eine an Bob Dylan erinnernde Mundharmonika. Und spätestens seit bewiesen ist, dass besonders empathisch ist, wer traurige Musik zu schätzen weiß, spricht doch nichts mehr gegen so ein Album!

I’m just trying to be easy, agreeable
I don’t want to seem needy to anyone, including you.

I don’t wanna feel stuck, baby
I just wanna get drunk before noon
(…)

I take everything back, I swear I do

Cause once all the friends I had
Have used me up and left
I bet you hang around
I bet you’ll hang around awhile


Seit vielen Jahren (spätestens seit dem essentiellen Album “Begin to hope” aus dem Jahr 2006) ist Regina Spektor eine meiner Lieblingskünstlerinnen und sie mal live zu sehen, steht definitiv auf meiner Bucket List. Sehr traurig, dass das bei der jetzigen Tour wieder nicht klappt – nach München kommt sie unverständlicherweise nicht und alle anderen Orte waren für mich nicht drin. Doch das neue Album “Remember us to life”enttäuscht dafür mal wieder in keinster Weise! Los geht’s mit “Bleeding Heart”, das einen zurückversetzt in die durchaus harten Zeiten als Teenager in der Schule… und hoffnungsfroh eine “It gets better”-Botschaft übermittelt. “Older and taller” ist eingängiger, bekannter Regina-Sound und das Storytelling wie immer witty (All the lies on your resume have become the truth by now and the things that you never did have become your youth, somehow you know everything by now). Alle Songs werden übrigens von einem Orchester begleitet und Reginas markante Stimme kommt toll zu Geltung, auch wenn sie auf diesem Album nicht so viel damit experimentiert, gurgelt, etc. wie auf früheren Alben.

Mein Lieblingssong ist nur auf der Deluxe-Edition (was ja bei Spotify auch eine hinfällige Kategorie ist, auch komisch) und heißt “The end of your thought” – eine sehr typische Regina Spektor-Ballade, bei der sie hingebungsvoll zu teils dramatischer Klavierbegleitung singt und flüstert, um wieder einmal hoffnungsvoll zu schließen, da das Universum ja wirklich viel zu groß ist, um einen Fehler zu machen…

“I thought about what you said
And it’s the end of the thought that really got in my head
Be careful before you decide
Be careful before you decide
Risk only what you won’t miss
And all the rest you can leave for all the others to take
You cannot make a mistake
The universe is too big
The universe is too big” 

Mein 2. Lieblingssong soll hier aber doch auch nicht fehlen, er fällt in eine ähnliche Kategorie. Es ist “The Light”, mit simpler und wahrer Lebenslogik:

I know the morning is wiser than the evening

I know that wrong and right can sometimes look the same

So many things I know, but they don’t help me

Each day I open up my eyes and start again

Aber solange wir jeden Morgen zu neuer Musik aufwachen, ist das doch okay… 

(Edit 02.11.2016, 19:53 Uhr)

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