Ausgeliefertsein (II).


Wenig überraschend passt einem eine Operation nie in den Kram, geschweige denn in den Terminkalender. Bei mir musste u.a. eine Vorstellung von Martina Schwarzmann im Circus Krone dran glauben. Richtig gewurmt hat es mich außerdem, einen Kursabend von meinem MBSR-Kurs sowie den “Tag der Stille”, der zum Kurs gehört, zu verpassen. Ich hätte aber tatsächlich nicht die Kraft für einen ganzen Tag Meditieren, Körperübungen etc. gehabt, so unanstrengend ist das schließlich nicht – und auf der anderen Seite bin ich erstaunt, wie platt ich noch bin, auch wenn mir das vorher schon prophezeit wurde. Der Körper muss sich echt erholen von dem Eingriff. 

Beim Thema “Ausgeliefertsein” musste ich jedoch sehr an den MBSR-Kursabend denken, bei dem es um schwierige Gefühle ging. Jede/r kennt das ja. Man fühlt sich ausgeliefert… Eben diesen schwierigen Gefühlen. Doch ist man das wirklich? Wie geht man damit um? Versucht man sie zu verdrängen oder agiert man sie aus, indem man zum Beispiel laut oder grantig wird? Wie sehr nährt und befeuert man diese Gefühle eigentlich mit seinen Gedanken? Darüber haben wir uns unterhalten und dazu haben wir verschiedene Übungen gemacht. Wie man sich der Gefühle gewahr werden kann, wie man sie aus einem anderen Blickwinkel sehen kann und -im Idealfall- wertschätzen und dann aus ihnen lernen und an ihnen wachsen kann.

Nun sind wir ja ein Haufen von Leuten, die sich vorher nicht gekannt haben. Doch die Vertrauensbasis und Offenheit, die im Kurs herrscht, ist beachtlich. Vielleicht fällt es einem aber ja sogar leichter, sich vor fremden Personen so zu öffnen? Jedenfalls berührt es mich sehr, dass diese ganz normalen Menschen – zum Teil auch welche, die nach außen supercool und locker wirken, und entgegen meiner eigenen Vorurteile alle gar nicht esoterisch angehaucht oder dergleichen – doch alle mit ähnlichen Themen zu kämpfen haben. Sich fragen, ob sie gemocht werden, ihren Selbstwert in Frage stellen, Angst vorm Scheitern haben, Fehler gemacht haben, mit denen sie nun umgehen müssen… Und nun nach Wegen suchen, wie sie sich diesen schwierigen Gefühlen weniger ausgeliefert fühlen können. Das gegenseitige Verständnis zu spüren, sich zuzuhören und Mut zu machen, sich gemeinsam etwas Neuem zu öffnen, um die alten Pfade zu verlassen, das ist etwas ganz Besonderes und eine besondere Energie entsteht so. Das ist schön und wirklich eine wertvolle Erfahrung. 

Genauso wie die Erkenntnis, eben nicht “ausgeliefert” sein zu müssen. Höchstens der Couch, im Moment. 

Habe Geduld gegen alles Ungelöste in Deinem Herzen und versuche, die Fragen selbst lieb zu haben, wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. 

Forsche jetzt nicht nach den Antworten, die Dir nicht gegeben werden können, weil Du sie nicht leben kannst. Es geht darum, alles zu leben. 

Lebe jetzt die Fragen. Vielleicht lebst Du dann allmählich, eines fernen Tages, in die Antwort hinein.

(Rainer Maria Rilke, „Briefe”)

 

 

3 Kommentare

  1. Nee, stimmt schon… ich ärgere mich auch nicht zu sehr. Hat ja auch seine schönen Seiten – man wird verwöhnt, besucht, beschenkt, mit guten Wünschen versorgt… Zum Seriengucken kam es noch gar nicht so, hier liegt aber auch ein hoher Stapel ungelesener Bücher.

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