Ausgeliefertsein (I).


Gestern war nun also meine Leistenbruch-OP. Einen Leistenbruch haben übrigens zu ca. 80% Männer. Und dann auch meist einseitig. Daher wollte ich es auch erst wirklich nicht glauben, aber der Ultraschallbefund bei mir war eindeutig: Leistenbruch beidseitig. Wenn schon, denn schon. Also war klar, dass ich unters Messer musste. Was mir vorher nicht klar war: es gibt viele verschiedene Arten, einen Leistenbruch zu operieren – mit oder ohne Netz, offen oder minimal-invasiv, und dabei auch jeweils unterschiedlichste Methoden. Jede*r Chirurg*in hat da so ihre/seine Vorlieben, auch der Orthopäde, die Physiotherapeutin und in meinem Fall auch noch die Frauenärztin haben eine Meinung dazu. Dazu bekommt man im Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis noch einige Erfahrungsberichte und Tipps von Betroffenen. Selbst hat man nur die Schmerzen, aber keine Ahnung, und muss es dann entscheiden. Genau mein Ding…

Da ich keine Lust auf zwei OPs hatte und auch keine Lust darauf, bei einer Münchner Koryphäe auf dem Gebiet ein paar tausend Euro hinzublättern, weil ich nicht privat versichert bin, habe ich mich jedenfalls für einen minimal-invasiven Eingriff entschieden, bei dem beide Seiten mit einem Netz versorgt wurden (TAPP). Die Rezidivrate ist hier angeblich unter 1%. In diesem Fall würd ich dann bitte gern nicht nochmal der absoluten Minderheit angehören.

Was ich nicht erwartet hätte: meine Nerven lagen doch ganz schön blank in den ein-zwei Tagen zuvor. Ich wusste zwar, dass es mittlerweile ein Standardeingriff ist, mein Chirurg sehr erfahren, und eine Vollnarkose auch nichts Besonderes mehr ist. Doch für mich war es eben die erste Vollnarkose, die erste große Operation, stationär im Krankenhaus. Ich war gar nicht cool, sondern hatte Angst. Angst auch vor dem Ausgeliefertsein. Schließlich bin ich eher ein Kontrollfreak (weswegen Drogen für mich z.B. nie wirklich in Frage kamen) und finde den Gedanken, so ausgeschaltet zu sein und mich in die Hände des Chirurgen zu begeben, allein deswegen gruslig.

Mit dem Ausgeliefertsein geht es im Grunde los, sobald man im Krankenhaus eincheckt. Spätestens aber, wenn man zum OP-Saal muss. Meine Brille durfte da nicht mit, was für mich schon äußerst unangenehm war und mir viel Sicherheit nahm, da ich echt schlecht sehe. Während man für die OP vorbereitet wird, geht’s auch nicht grad zimperlich zu, die Krankenakte wird einem auf die Beine geschmissen und die Manöver mit der Liege sind schon auch recht brachial. Aber es gab auch ein paar nette, beruhigende Worte zwischendurch – eine Schwester versicherte mir noch, dass sie mich nicht allein lassen würden, bevor ich mich ins Reich der Träume verabschiedete.

Das Gefühl vom Ausgeliefertsein war jedoch nach dem Aufwachen durchaus weiter gegeben, schließlich konnte ich mich dann auch erstmal nicht bewegen und war drauf angewiesen, dass im Aufwachraum ab und an wer nach mir schaute. Angela, meine Zimmergenossin mit der Nasen-OP, hatte es neben mir etwas besser, da sie beim Aufwachen kroatisch sprach, was sich als Muttersprache von gleich zwei Krankenpflegern herausstellte, von denen sie dann eine Sonderbehandlung bekam.

Den Schwestern und Pflegern ist man sowieso total ausgeliefert. Keineswegs darf die Klingel aus falschen Gründen verwendet werden, wobei die Definition von “falsch” hier ausschließlich beim Pflegepersonal liegt. So bekam Angela heute morgen dann genau das Gegenteil der Sonderbehandlung von einem sehr bayerischen Pfleger, der sich in seiner Routine partout nicht durch ihre Schmerzen am Venenkatheter in der Hand abhalten lassen wollte.

Ausgeliefert ist man auch der Krankenhauskost. Da hatte ich viel Spaß mit Angela. Nach einem ganzen Tag ohne Essen hatten wir beide Riesen-Kohldampf, als endlich das Abendessen kam. Sie konnte es schier nicht fassen, dass dieses aus zwei Scheiben Brot und vier Scheiben Käse bestand. Ok, es waren auch noch zwei Gurken- und Tomatenscheiben dabei. In Kroatien ist das kein Essen. Das ist vielleicht Beilage. Denn wo war das Fleisch?!

So schön die Aussicht aus dem 19. Stock der Klinik auch war, bin ich sehr froh, nun wieder daheim zu sein. Da gab’s erstmal Weißwürste! Auch wenn noch alles zwickt und ziept, man sich am besten gar nicht bewegt, manchmal auch nur beim Liegen noch so ein fieser Schmerz kommt, und alles ganz schön anstrengend ist. Aber hier werde ich verwöhnt und gehätschelt und kann mich endlich meinem Stapel ungelesener Bücher widmen. Wenn ich nicht schlafen muss… So wie jetzt dann wieder…. Ins Handy tippen ist nämlich auch sehr anstrengend und geht nur häppchenweise.

13 Kommentare

  1. Ganz gute Besserung! Ich kanns nachfühlen. Eine Vollnarkose ist in dem Fall ein Segen. Nicht auszudenken, man kriegt jeden mechanischen Ruckler und Zieper und Kommandos der OPCrew mit. Bei mir war mal das Gesicht (ungelogen, da vom OP Tuch verdeckt) die Ablage für die OP Instrumente. Seit dem liebe ich quasi Vollnarkose. Kannst Du Dir nicht ausdenken.

  2. Gute Besserung Betty!

    Ich kann dir dein Leiden echt nachfühlen ich weiß nicht was ich gemacht hätte an deiner Stelle…
    …so ganz ohne Fleisch!

    1. Haha, ja, für dich wär das nix gewesen!! Für mich war’s ok, aber Nic Ole hat mir dann ‘nen Lebkuchen und der Angela eine Wurstsemmel gebracht! ☺️

  3. Gefühl ist echt nicht schön, ausgeliefert zu sein… Ich stehe völlig verzweifelt mit einem platten und warte, von meinem Mann abgeholt zu werden- das ist sicher nicht mit Narkose vergleichbar… Aber abhängig ist nicht wirklich ein tolles Gefühl. 🙁

  4. Bettina :/ whuz up??!! Mensch, ich hoffe Du erholst Dich schnellstens davon und bist bald wieder top in Form. Musst Du im Krankenhaus verweilen?

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